Ein Traum und eine Wirklichkeit

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Ein Traum und eine Wirklichkeit

… oder Rébuffat ist nicht gleich Rébuffat …

Barbara Lantschner und Clara Kulich

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Im  Jahr 2010 steigen wir in unsere erste gemeinsame Klettertour ein: Traum und Wirklichkeit (Hohe Wand); die Träume entstehen schnell und die Wirklichkeit holt uns auch ständig ein, meist im positivsten der Sinne. Clara (übrigens zweiter Vorname Barbara) lebt unweit von Chamonix in Frankreich, Barbara in Guntramsdorf, geklettert wird hier und dort.

Zwei super Wochen 2010 und 2012 im Granit und Gneis der Aiguilles de Chamonix und der Aiguilles Rouges zeigen uns, dass wir beide Chamonix Risse lieben und respektieren. Zum Beispiel legt Barbara 2012 eine Meisterleistung in L´eau Rance d’Arabie (Aiguille de Blaitière) hin, wo sie die schwierige Einstiegsseillänge (6b+) brillant meistert und wir dann in den unendlichen Rissen nach drei Seillängen bei kaltem Wind halb erfroren wieder abseilen – trotzdem zufrieden und erfüllt von dem felsigen Erlebnis.

Doch der Traum einer Route ist ständiger Begleiter: die Rébuffat an der Aiguille du Midi. Wir nähern uns diesem Traum langsam an, zuerst aber nur bis zur Mittelstation, dem Plan de l´Aiguille. Es ist 2012 zu windig, um ganz hinaufzufahren. Stattdessen klettern wir von der Mittelstation aus die Contamine-Vaucher (Aiguille de Peigne), in der wir zufällig auf damaliges BG Mitglied Markus Gschwendt und seinen Sohn Robin Schneemeyer treffen.

Dann folgen Claras Kinder, weniger Zeit und erst 2024 wieder eine Chamonixwoche. Wir reden davon, aber schaffen wir das? Wir fahren mit der Seilbahn auf die Aiguille du Midi rauf und klettern eine Rébuffat – die “kleine” Rébuffat-Pierre an den Cosmiques – und nicht die Rébuffat. Es ist nett, ein bisserl Stau gibt’s auch.

Sehnsüchtig schauen wir rüber zur Rébuffat-Baquet. Nein, dafür sind wir nicht fit genug, weiter geht’s zur Le Ronfleur Paradoxal (Pyramide du Tacul). Die Route ist nur in einem Topo, nicht auf camp2camp; die Leute in der Umgebung kennen sie komischerweise nicht. Die Einstiegsseillänge gestaltet sich gleich erheblich schwierig: ein Offwidth-Riss überm Bergschrund, der nicht absicherbar ist. Wir nehmen dankbar das zweite Seilende einer neuseeländischen Seilschaft, die als guides in Norwegen arbeiten, an. Die Route bleibt abenteuerlich und auf der schwierigen Seite der Chamonixbewertungen – die Remy-Brüder waren noch jung als sie diese Route bewertet haben (also + einem Schwierigkeitsgrad für alle SLen halten wir für realistischer). Fazit: Wir halten uns für die Rébuffat-Baquet als noch nicht bereit, nachdem wir in einer 5c so abgeblitzt sind. Wir entscheiden uns für Lifting du Roi (Roi de Siam), eine sehr genussvolle und unsere 40. gemeinsame Route.

Ein Jahr später (2025) sitzen wir bei kühlem Wetter im Val Ferret. Wir haben schon einige Klettertage in den Haxen, nach dem BG-Kletterlager am Gimpelhaus (http://www.gebirgsverein-services.at/bergsteigergruppe/wo-sich-gimpel-und-flueh-gute-nacht-sagen/) und Klettern im Granit des Aostatals und im Val Veny in bester BG-Gesellschaft (http://www.gebirgsverein-services.at/bergsteigergruppe/wie-wir-auf-de/).

Barbara bleibt noch ein paar Tage und wir fragen uns: Wenn jetzt die Hitzewelle kommt, fahren wir rauf? Sollen wir es diesmal wagen? Na klar!

Alles passt perfekt: Die Kinder sind versorgt, das Wetter ist sonnig und warm, es weht kein Wind, und wir ergattern Plätze in der Seilbahn und in der Hütte. Wir gönnen uns den Luxus einer Übernachtung in der Cosmiques-Hütte mit wunderbarem Sonnenuntergang (und dem lauten Knall, der abends die gesamte Hütte kurz in Alarmzustand versetzte, und erst erlosch, als der Saft einer explodierten Getränkedose in die Küche herunter sprudelte und so die Lage klärte.)

Endlich: Rébuffat-Baquet (Aiguille du Midi). Erst nach dem S-Riss gesteht Barbara “Ich war schon nervös und habe ganz schlecht geschlafen”.

Aber mal von vorne. Bei romantischer Morgenstimmung brechen wir auf, als die ersten Sonnenstrahlen gegen halb sieben den Einstieg erreichen. Eine englische Seilschaft kommt von der Seilbahn herunter und sichert sich den ersten Platz in der Schlange, die sich hinter uns bildet. Der Engländer kennt den ersten Teil der Route bereits—er musste zuvor wegen Schlechtwetter abseilen. (Kleine Anekdote: Beim Abseilen lief ihnen damals das Seil durch einen durchnässten Sch*haufen…) Wir befinden uns also in bester Gesellschaft und folgen den zweien in angenehmen Rhythmus, hinter uns blockiert eine langsame Seilschaft die anderen Aspirant*innen.

Jede Seillänge ist schön und auch immer zum Klettern. Clara steigt kurz nach acht Uhr in die erste Seillänge ein, die gleich ein paar Stellen zum Überlegen bietet. In der zweiten Länge steigen Carla, die Engländerin, und bei uns Barbara das berühmte S vor – zu unserer Überraschung an der Wand links vom Riss an kleinen Tritten und Griffen und der Riss dient vorwiegend der Absicherung. Insgesamt treffen wir immer wieder mal auf Normalhaken oder einen steckengebliebenen Friend, ein einfaches Friends-Set bis Größe 3 hätte ausgereicht. Mit Genuss versenken wir unsere Friends in den schönen Rissen und turnen uns nach oben.

Erst im Chaos der Ausstiegsvarianten verlangsamen wir uns durch die Routensuche. Wir entscheiden uns der englischen Seilschaft in die 5c Querung zu folgen die in den Cretton-Riss mündet. Der Engländer fragt dreimal nach, ob die Route wirklich da ums Eck gehen soll und meint, dass das Ganze etwas furchterregend sei. Dann sind sie weg. Umständlich windet auch Clara sich durch den Offwidth-Riss bis zur Kante, wo ein Bohrhaken als Belohnung wartet. Dann geht’s ums Eck, wo uns schlicht die gähnende Leere eines Risses erwartet: zu breit für einen Cam, aber perfekt für den rechten Oberschenkel. Den linken Fuß stützt frau gegen die wenig strukturierte Platte und schiebt sich Zug für Zug nach oben. Kurzes Ausrasten auf einer Miniplattform und dann weiter bis nach etwa 10m endlich ein riesiger Block im auslaufenden Riss klemmt und kleine Spalten für Friends auftauchen. Nach 5m stehen wir gegen 12Uhr30 am Gipfelgrat und blicken in die Kameras der Tourist*innen.

Eine Französin fragt, ob wir von der Terrasse aus da hinaufgeklettert sind und bemerkt, dass das sehr „courageuse” von uns gewesen sei. Wir versuchen ihr zu erklären, dass wir hier abgestiegen sind und der wesentlich längere Aufstieg auf der anderen Seite des Berges liegt. Handys zielen auf die Friends am Klettergurt. Wir schauen uns überglücklich an, die Anspannung fällt ab und die sonst so gefasste Barbara bricht heraus: „Ich freu’ mich so!”

Tja, so wurde aus dem Traum eine gemeinsame Wirklichkeit…

Tourendetails:

Hohe Wand: Traum und Wirklichkeit (6+>6, 6 SL)

https://www.bergsteigen.com/touren/klettern/traum-und-wirklichkeit-hohe-wand/

Aiguille de Blaitière – Pilier rouge: L´eau Rance d’Arabie (TD+, 6b+>6a+)

https://www.camptocamp.org/outings/359081/fr/aiguille-de-blaitiere-pilier-rouge-l-eau-rance-d-arabie

Aiguille de Peigne: Contamine-Vaucher (TD 6a>5c, 16L)

https://www.camptocamp.org/routes/54519/fr/aiguille-du-peigne-face-sw-du-gendarme-rouge-3078-m-voie-contamine-vaucher

Eperon des Cosmiques: Rébuffat-Pierre (D+ 6a>5b, 6 SL) https://www.camptocamp.org/routes/54331/fr/eperon-des-cosmiques-voie-rebuffat-pierre

Pyramide du Tacul: Le Ronfleur Paradoxal (D+ 5c>5c, 10 SL)

https://www.camptocamp.org/routes/1666024/fr/pyramide-du-tacul-le-ronfleur-paradoxal-

Roi de Siam: Lifting du Roi (D+ 5c>5b, 8 SL)

https://www.camptocamp.org/outings/1692898/fr/roi-de-siam-lifting-du-roi

Aiguille du Midi: Rébuffat-Baquet (TD 6b/Var. 6a>5c, 9 SL), Ausstieg Variante Cretton Riss

https://www.camptocamp.org/outings/1807072/fr/aiguille-du-midi-face-s-voie-rebuffat-baquet