Historisches

Auf dieser Seite findest du einen einen Überblick über die Geschichte der Bergsteigergruppe seit ihrer Gründung. Zur Übersicht über die Alpinen Highlights geht es hier und eine Vielzahl von Beiträgen aus unserer Gruppengeschichte findest du hier im Archiv.

 

Der folgende Text stammt von Matthias Hutter.

Die ersten 50 Jahre

Die BG wurde 1927, in einer Zeit, die nicht gerade von wirtschaftlicher Prosperität gekennzeichnet war, gegründet und zwar „als ideelle, unparteiische Vereinigung möglichst aller im strengeren Sinne bergsteigerisch tätigen Mitglieder des ÖGV“, wie es im Gründungsprotokoll vermerkt ist. Im ersten BG-Ausschuss, dem Hans Nemecek vorsaß, befanden sich Namen wie Hubert Peterka, Franz Blecha und Fritz Herrmann, Könner, die kräftige Spuren in der alpinen Erschließer-Geschichte hinter- lassen sollten. Bald folgten Bergsteiger wie Fritz Proksch, Hugo Fickert, Leopold Brankowsky, Sepp Brunhuber, Fritz Kasparek, Willi End und Anton Berger, um nur einige der herausragendsten Mitglieder zu nennen. Diese Generation hinterließ uns viele Anstiege, die auch heute noch gerne gemacht werden, wie z. B. den Kasparek-Riß, die Alpina- kante oder den Fickert-Riss am Peilstein oder die Blechmauernverschneidung (Franz Dangl) auf der Rax. Zu den großen Touren aus dieser Zeit zählt der NO-Pfeiler des Reichensteins.

Mitglieder der Bergsteigergruppe waren schon sehr früh über die heimischen Klettergipfel hinaus auch in den Dolomiten sowie in den Westalpen überaus aktiv, wo zahlreiche Erstbegehungen und frühe Wiederholungen durchgeführt wurden. 1935 wurde auch die bis heute gepflegte Tradition der BG-Auslandsbergfahrten und Expeditionen mit einer Kaukasusfahrt begründet. Zu den bergsteigerischen Höhepunkten der Zwischenkriegszeit zählen die erste Winterbegehung der Großen-Zinne-Nordwand durch Fritz Kasparek und Sepp Brunhuber sowie die Teilnahme von Fritz Kasparek an der ersten erfolgreichen Durchsteigung der Eiger-Nordwand im Jahr 1938.

Nach dem zweiten Weltkrieg, aus dem 43 BG-Mitglieder nicht zurückkehrten, fand ein Neubeginn statt, in welchem Leistungsträger wie Charly Lukan, Ignaz Obermüller und Ernst Schuster den Weg in die BG fanden, etwas später folgten Horst Schmoltner, Raimund Heinzel, Erich Waschak, Joschi Pfeffer, Wolfgang Axt, Franz Pucher, Otto Zeuner oder auch Peter Holl, die Leistungskurve der BG stieg stetig an. In den ersten Nachkriegsjahren wurden eine Reihe von auch heute noch beliebten Touren erstbegangen, so z.B. die Hochkesselkopf-SW-Verschneidung oder die Pfeileranstiege am Koppenkarstein (Peterka/Proksch).

Die 60er und 70er Jahre waren geprägt von BG-Auslandsbergfahrten, beginnend mit der Österreichischen Karakorum-Expedition 1961 mit der Erstbesteigung des 7.400m hohen Mt. Ghent I durch Wolfgang Axt (Überschrift in einer Zeitung: „Karakorum-Riese von Axt gefällt“). Es folgten die ÖAV-Anden-Expedition 1968 (Fritz-Kasparek-Gedenkfahrt des ÖGV), die Grönlandexpedition 1973 sowie die ÖGV-Himalaya-Expedition 1977 anlässlich des 50jährigen Bestehens der BG mit der Erstbesteigung des 7.342 m hohen Mount Ghent II. In den Tourenberichten aus den 60er und 70er Jahren finden sich hervorragende Klettertouren, die damals zu den schwierigsten und begehrtesten dieser Periode zählten wie z. B. die Les Droites N-Wand, Westliche Zinne N-Wand, Punta Tissi NW-Wand (Phillip-Flamm).

Seit den 1980ern

Rückblickend betrachtet zeigt sich, dass die 80er und 90er ganz maßgeblich von jenen Mitgliedern geprägt wurden, welche durch die vom damaligen BG-Vorsitzenden Horst Schmoltner initiierte Aufbaugruppe 1977 den Weg zur BG gefunden haben. In den Jahren 1978, 1979 und 1980 verzeichnete die BG Rekordaufnahmen (Harry Grün, Walter Krampf, Reinhard Mühlberger, Bernhard Jüptner, Karli Ferstl, Hans Bichler, Robert Pirka, Leo Cornelson, Rudolf Melchart u.v.m.). 1979 stieß auch der Autor dieser Zeilen zur Gruppe, deshalb kann ich gleichermaßen als Zeitzeuge die wichtigsten Stationen der letzten Jahre beschreiben. Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre war die BG noch der Treffpunkt aller extremen Bergsteiger im Gebirgsverein. Ich kann mich noch gut an die lebhaften Berichte der damaligen Leistungsträger erinnern, z. B. Kurt Schall, Felix Kromer, Harry Grün, Walter Krampf, Franz Hinteregger, Robert Grasnek und anderen mehr, was das extreme Felsklettern betraf, und natürlich von Bruno Klausbruckner, für uns Jungen der Abenteurer schlechthin mit seinen Fahrten in Arktis und Antarktis. Bruno Klausbruckner und Wolfgang Axt waren die ersten BG-Mitglieder auf einem 8.000er und das gleich auf dem schwierigen Lhotse (8.511 m) im Jahr 1979. Unvergesslich sind Brunos Vorträge, die bis heute zu den absoluten Höhepunkten zählen, zum Beispiel jener von der Transafrika-Fahrt.

Für mich persönlich in lebendiger Erinnerung sind auch die Dia-Vorträge von Kurt Schall, der aufregende Bilder von tollen Touren zeigte (Walker-Pfeiler, El Capitan/Yosemite u.a.m.), einen neuen Stil prägte, indem er etwa seine Bilder mit aktueller Pop-Musik von Pink Floyd und Kraftwerk untermalte. Die damaligen Spitzenkletterer um Kurt Schall, Felix Kromer und Christian Enserer waren maßgeblich an der Weiterentwicklung des alpinen Leistungsniveaus im Wiener Raum beteiligt, sie waren Pioniere in der damals immer populärer werdenden Spielart des Kletterns an gefrorenen Wasserfällen und stießen an den heimischen Kletterfelsen die Tür zum 7. Grad auf, wo ihnen unzählige Erstbegehungen in höchsten Schwierigkeitsgraden gelangen.

Wiederbelebte und fortgeführte Tradition

1979 wurde erstmals nach mehreren Jahrzehnten wieder ein Peilsteinzirkus aufgeführt, zunächst in der Arnsteinhöhle und dann im Peilsteinhaus. Hierbei wurden von einem begnadeten Kabarettisten-Team um Harry Grün, Stefan Oberhauser und Robert Grasnek alpine Trends persifliert und Erlebnisse aus BG und ÖGV dramaturgisch aufgearbeitet. 

1981 wurde von Mitgliedern der BG die ÖGV-Jungmannschaft  (neu)gegründet, welche 2001 ihr 20jähriges Bestehen feierte und in „Forum Alpin“ umbenannt wurde und all die Jahre durch gemeinsame Ausfahrten bzw. eine Personalunion der handelnden und gestaltenden Leute – allen voran Robert Matzinger und zuletzt auch Klaus Adler – in einem engen Naheverhältnis zur BG stand.

Die Tradition der Auslandsbergfahrten wurde in den 80er Jahren mit zwei Expeditionen (AUKAREX und AUKATRIP) erfolgreich fortgeführt und bescherte dem Team von Harry Grün zwei gleichermaßen schöne wie anspruchsvolle Erstbesteigungen, nämlich den Karun Koh sowie den Dlipobdan. Zwar nahmen BG-Mitglieder in den Folgejahren an zahlreichen Expeditionen auf 7.000er und 8.000er dieser Erde teil (so bezwang Bernd Saxinger den Gasherbrum II). In den Folgejahren nahmen BG-Mitglieder zwar an zahlreichen Expeditionen teil, doch „offizielle“ BG-Auslandsbergfahrten fanden dann lange Jahre, mit Ausnahme eine Nanga-Parbat-Umrundung im Jahr 1996, nicht statt. Erst 2002 wurde wieder eine BG-Gemeinschaftsfahrt organisiert, nämlich in die Cordillera Blanca in Peru anlässlich des 75jährigen Bestehens der BG.In den Jahren 2004 und 2007 waren BG-Mitglieder erfolgreich auf den 8.000ern Gasherbrum II, Cho Oyu und Manaslu unterwegs. 2008 erkundeten Clara Kulich und Markus Gschwendt eine vermutlich komplett neue Route in der NW-Flanke des Nanga Parbat und erreichten dabei eine Höhe von 7.750 m. 2011 war eine kleine Gruppe in Pakistan aktiv. Markus Gschwendt, Ulli Fechter und Birgit Walk konnte dabei eine Erstbesteigung des 6.152 m hohen Kuksil durchführen. 2015 fand wieder eine mehrwöchige große BG-Gemeinschaftsfahrt mit 14 Teilnehmer/innen statt, Ziel war das Kourundi-Gebirge in Kirgistan. Im Anschluss wurde noch der Pik Lenin bestiegen.

Aus dem BG-Innenleben

Die BG ist eine Gruppe innerhalb des Gebirgsvereins, welche sich bestimmte Regeln gegeben hat, die in Form von Statuten festgeschrieben sind. Die Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist das Beherrschen des vierten Grades im alpinen Gelände im Vorstieg. Die Zahl der Mitglieder schwankte im Lauf der  Geschichte stets um rund 100 (Ausnahme 30er Jahre mit einem Rekordstand von rd. 140). Die aktiven Mitglieder sind zur Legung eines jährlichen Tourenberichtes verpflichtet, was in den letzten Jahren über unser Online-Tourenbuch abgewickelt wird. Immerhin verdanken wir diesen Tourenberichten das Wissen um die bergsteigerische Entwicklung unserer Gruppe.

Innerhalb der letzten Jahrzehnte wurde der Vorsitz unserer Gruppe von folgenden Mitgliedern eingenommen: Horst Schmoltner (bereits in seiner zweiten Periode als Vorsitzender), Bruno Klausbruckner (ab 1980), Alois Lackner (ab 1982), Rudolf Melchart (ab 1987), Harry Grün (ab 1994 bis 2020), seither gibt es ein Führungstrio, das zur Zeit aus Ulli Fechter, Matthias Hutter und Thomas Jekel  besteht. Im Jahre 1992 trat Veronika Matzinger als erste Frau der BG bei, mittlerweile sind zirka ein Viertel der Mitglieder Frauen.

Im 50-Jahre-Jubiläumsheft war eine traurige Liste enthalten, die die Namen von insgesamt 19 BG-Kameraden enthielt, welche in den Bergen verunglückt sind. In der innerhalb der letzten vier Jahrzehnte sehr niedrigen Unfallszahl spiegeln sich ein gesteigertes Sicherheitsbewusstsein, aber auch bessere Ausrüstung und die solide Absicherung vieler Kletterrouten wider. BG-Mitglieder sind seit vielen Jahrzehnten im Österreichischen Bergrettungsdienst tätig.  Über viele Jahrzehnte waren die Leiter der Geschäftsstelle im ÖGV BG-Mitglieder (Hubert Peterka, Willi End und Erich Schuller). Vieles wäre noch zu erzählen, so etwa über den Beitrag der BG und ihrer Mitglieder innerhalb des Österreichischen Gebirgsvereins, in dessen Gremien wir vertreten waren und sind, über die Bergsteigerschule oder über die Durchführung von Führungstouren.

Beitrag zur Alpinliteratur

Von BG-Mitgliedern wurde ein wesentlicher Beitrag zur Alpinliteratur geleistet. Für die ersten fünfzig Jahre möchte ich stellvertretend für viele in alphabetischer Reihenfolge nennen: Hans Barobek, Sepp Brunhuber, Willi End, Walther Flaig, Karl Greitbauer, Peter Holl, Fritz Kasparek, Leo Landl, Karl Lukan, Hubert Peterka und Erich Waschak. Später dann  Thomas und Renate Deininger (Wandern mit Kindern). Willi End als Autor zahlreicher AV-Kletterführer, der – das möchte ich besonders betonen – im stolzen Alter von 80 Jahren noch im 4. und 5. Grad unterwegs war, Charly Lukan, der seine früheren Erfolge („Wilde Gesellen vom Sturmwind umweht“ und andere habe ich als Kletteranfänger innerhalb einer Nacht verschlungen) um ein paar Dutzend Neuerscheinungen mit den Schwerpunkten Kultur und Bergsteigen im reiferen Alter ergänzte. In den Umweltbereich mit bergsteigerischen Anklängen gehört das Buch von Bruno Klausbruckner über sein Jahr in der Antarktis als Greenpeace-Stationsleiter. Last but not least ist natürlich Kurt Schall zu nennen, der als Führerautor neue Maßstäbe gesetzt hat.

Resümee und Ausblick

Abschließend stellt sich nicht nur für den Chronisten die Frage nach dem heutigen Standort der BG im alpinen Geschehen. Es ist evident, dass etwa mit dem Beginn der hier beschriebenen 45- Jahre-Periode die Spitze im Alpinismus in vorher nie geahnte Sphären, in denen „Normalsterbliche“ nicht mehr mitreden können, vorgestoßen ist. Zudem hat eine bisher noch nie da gewesene Differenzierung in verschiedene Disziplinen und Spielarten stattgefunden (Stichworte: Indoor-Klettern, Plaisir-Klettern, Sportklettern, Bedeutung des kommerziellen Bergsteigens und Trekkings vor allem in außeralpinen Gebieten), so dass der Alleinvertretungsanspruch der BG für extremes Bergsteigen im ÖGV, so er je bestanden hat, zu hinterfragen ist. Dennoch glaube ich, dass die BG mit ihrem Schwerpunkt selbständiges, alpines Klettern gerade im gegenwärtigen Umfeld ein wichtiges alpines Thema besetzt, welches immer noch eine große Ausstrahlung besitzt.