Der gefährliche Ankerstich

Schnell gemacht und praktisch, so ein Ankerstich um ein Klemmkeil-Kabel - und noch schneller gerissen!
 

Karabiner-Sparen ist gefährlich. Immer wieder habe ich bemerkt, wie manche Alpinkletterer auf diese Art Stopper und Friends verlängern, und habe manchmal darüber gemeckert. Auf dieser Seite erfährt man, was Bandschlingen an Drahtkabeln wirklich halten, an Hand von einfachen Belastungsversuchen mit Kran und Federwaage - keine Normprüfung, keine Hightech-Messung, aber ausreichend, um sich ein Urteil zu bilden.

 
So siehts aus:
 

Gezogen wird an einer Schlinge aus 20mm-Schlauchband,
           3 Kennfäden = 15kN,
           Festigkeit als Schlinge je nach Bauart (Knoten oder Naht) ca. 18...24kN,
 

die mit Ankerstich...
 
 

im Drahtkabel (Durchmesser 3,5mm) eines Stoppers hängt,
 
 

welcher mit einem Stahlseil nach unten abgespannt ist.

 
Ergebnis:
 

Bei ca. 6kN hört man die ersten Fasern reissen,
 

nach ca. 7kN liegt alles auf dem Boden - die Schlinge ist zielsicher beim Drahtkabel zerrissen.
 

(Stopper samt Drahtkabel unbeschädigt).

 
Das Ganze noch einmal mit ganz neuem Schlauchband (orangerot), weil das gelbe Schlingerl halt doch schon ein paar Jahre alt war...
 

genau dasselbe, nur in anderer Farbe:
 

Faserrisse ab ca. 6kN,
 

Bruchlast ca. 7kN.

Fazit

  • Der Ankerstich am Drahtkabel mindert die Festigkeit der Bandschlinge auf ca. 1/3 herab: von 18...24kN auf nur 7kN !
     
  • Eine Belastung von 7kN wäre bereits bei einem Sturz mit Anseilpunkt knapp 2m oberhalb des Klemmkeils möglich, also wenn man ca. 1m über dem Keil steht (nach einer Tabelle in [1], und weil Drahtkabel + kurze Bandschlinge + Schnapper zusätzliche 0,8m ausmachen).
     
  • Abhilfe: einen Karabiner dazwischenhängen oder gleich eine genügend lange Expressschlinge verwenden.
     
  • Nur wenns gar nicht anders geht: die Schlinge ohne Ankerstich durchschieben, wie man es manchmal mit Reepschnurschlingen bei schlecht plazierten Normalhaken macht, in deren Öse man keine Karabiner einhängen kann. Das Schlingenmaterial liegt dann 4fach parallel, und doppelt in der Schlaufe/Öse, und die beträchtliche Festigkeitsminderung durch den Ankerstich fällt weg.
    Dennoch keine Wunder erwarten, der Durchmesser eines Drahtkabels ist eben doch wesentlich geringer als der eines Karabinerschenkels,
    es "schneidet ein".

[1] ... P.Schubert: "Sicherheit und Risiko in Fels und Eis", Bergverlag Rother, 1995 und neuere Auflagen

 
Diese Darstellung erfolgte nach bestem Wissen und Gewissen. Bergsteiger handeln auf eigene Verantwortung. Jede Haftung wird abgelehnt.
Update 28.9.04  Christian Faltin